Der Name Tokaj wird auf der ganzen Welt mit dem gleichnamigen Wein verbunden. Tokaj wurde als „Teil des Weltkulturerbes” nicht zuletzt aufgrund der Erhaltung und Pflege der Traditionen, die mit der Traubenund Weinkultur verbunden sind, anerkannt. Das Weinbaugebiet befindet sich im Nordosten Ungarns. Hier wurde der Abdruck eines Urweinrebenblattes aus dem Miozän gefunden, das offensichtlich als der gemeinsame Vorfahre aller heutigen Rebsorten anzusehen ist. Man kann also behaupten, dass die Weintraube schon seit Urzeiten in Tokaj verwurzelt ist. Zu verdanken ist dies sicher dem einzigartigen Mikroklima, der aufgrund der vulkanischen und postvulkanischen Aktivitäten entstandenen optimalen Bodenbeschaffenheit, der günstigen Lage der Berghänge und dem Herbstnebel, den die Flüsse Bodrog und Theiß verursachen. Das Eichenholz zur Herstellung der Fässer wächst auch vor Ort und ein besonderer Schimmelpilz, der an den Wänden der Keller gedeiht, begünstigt den Reifeprozess der hier lagernden Weine in besonderer Weise. Das Ergebnis wurde lange Zeit als Medizin angesehen und auch heute noch behandelt man den Wein wie einen Schatz. Der französische König Ludwig XIV. nannte den Tokajer “König der Weine und Wein der Könige”.
Der zum Weltkulturerbe erklärte Teil des Weinanbaugebietes von Tokaj- Hegyalja umfasst 27 Siedlungen – u. a. auch die bedeutendsten Weinbauorte Tokaj, Bodrogkeresztúr, Bodrogkisfalud, Mád, Mezôzombor, Rátka, Szegi, Tarcal und Tállya. Dazu gehören auch die Kellereien, z. B. „Ungvárer” in Sátoraljaújhely, der Rákóczi-Keller in Sárospatak, „Kôporoser” und „Gomboshegyer” in Hercegkút, der Oremus-Keller in Tolcsva und der Keller des Weinmuseums. Das Gebiet besitzt sowohl aus geologischer als auch aus geographischer Sicht einmalige Voraussetzungen für den Weinbau. Vulkanausbrüche und postvulkanische Prozesse haben hier verschiedene Bodenarten entstehen lassen, welche Einfluss auf die Fruchtbarkeit und den Mineralgehalt, die Wärmeabsorptions- ,Wärmespeicher- und Wärmerückgabefähigkeit des Bodens haben. Die günstige Lage der Berghänge, die intensive Sonneneinstrahlung, die Nähe zu den Flussläufen von Bodrog und Theiß und die lange Spätherbst-Phase führen zu diesen angenehmen klimatischen Bedingungen. Eine Folge dieser günstigen Umstände ist der Befall der Trauben mit dem Schimmelpilz Botrytis cinera, der bei den Trauben eine Edelfäule bewirkt, was einem Auslesevorgang der Weinbeeren entspricht. Der Most dieser Weintrauben kann sogar einen Zuckergehalt von 850 Gramm pro Liter erreichen und neben dem Zuckergehalt enthält er auch eine hohe Konzentration an Säure und die Aromastoffe. Das Sortieren der Weinbeere aus der Weintraube wurde bereits seit 1600 in Hegyalja praktiziert. Dank des besonderen Mikroklimas gedeiht an den Kellerwänden eine besondere Edelschimmelart, die den Reifeprozess der Weine günstig beeinflusst. Die Weinkultur der „Magyaren” geht auf zwei Quellen zurück: Sie vereint die östlichen, aus dem Kaukasus stammenden und die westlichen, die römischen Weinanbautraditionen miteinander. Diese Traditionen spiegeln sich auch in den Bräuchen des Weinanbaus und der Bauart des Kellers in Hegyalja wider. Das Vorhandensein von Weinanbau und Weinherstellung wird hier bereits in der Zeit der Landnahme vermutet, doch diesbezügliche Beweise sind nicht vorhanden. Von der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an, mit Beginn der Ansiedlung der Wallonen, ist die Verbreitung des Weinbaus in diesem Gebiet durch Dokumente belegt. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich hier verschiedene Völkergruppen – Sachsen, Schwaben, Polen, Rumänen, Armenier und Juden – angesiedelt. Sie haben das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben sowie die Kultur des Weinanbaus bereichert und zur Entwicklung der Weinkultur beigetragen. Diese Vielfältigkeit wird auch an Bauwerken der kirchlichen und weltlichen Architektur der Ortschaften sichtbar. Neben den Baudenkmälern der volkstümlichen Architektur stellen die aus dem 16. bzw. 17. Jahrhundert stammenden Gebäude der Aristokratie und des „verbürgerlichten Bauerntums” einmalige Kulturwerte dar. Das Gebiet ist schon seit 1737 geschützt. Durch einen königlichen Erlass – erstmalig weltweit – wurde es zu einem geschlossenen Weingebiet erklärt. In den tief liegenden uralten Weinkellern der charakteristischen Weingüter, den Gehöften, Dörfern und Kleinstädten kann man alle Stationen der Tokajer Weinherstellung verfolgen. Die in den vergangenen eintausend Jahren entstandenen Traditionen des Weinbaus in seiner lebendig erhaltenen ursprünglichen Form und die seit Jahrtausenden bewahrte Einheit dieses Weinanbaugebietes haben das Komitee des Weltkulturerbes der UNESCO veranlasst, das historische Weinbaugebiet von Tokaj und seine Kultur im Jahre 2002 in die Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen. In Tokaj-Hegyalja hat sich also eine Landschaft entwickelt, in der das ökologische System, die menschliche Kultur und die Traditionen miteinander verbunden sind und in einem einmaligen Zusammenhang stehen, an deren Bewahrung und Vorstellung ein universelles Interesse besteht.