Spaziergang in der Burg

Spaziergang in der Burg

Der Freiheitsplatz (Szabadság tér) wird durch die Rákóczi Straße mit dem alten Marktplatz der Stadt verbunden, mit dem heutigen Altstadtplatz (Óváros tér). Die Straße mit den Gebäuden aus den 18 und 19. Jahrhunderten gehört selbst zur Altstadt; kleine Straßen, enge Gassen links und rechts führen von hier aus in den Stadtteil unter der Burg.

Zwischen den Gebäuden der Rákóczi Straße findet man das Wohnhaus des Barbiers Károly Francsics, der Tagebücher geschrieben hat, und das Haus des weltberühmten Geigenpädagogen Lipót Auer - Rákóczi Str. 4 -, daneben sieht man die „Apotheke zum Schwarzen Adler".

Was seine Atmosphäre betrifft, sieht der heutige Hauptplatz der Stadt einheitlich aus, architektonisch gesehen zeigt er aber ein eklektisches Bild. Auf der linken Seite der Straße sind nebeneinander Gebäude im Zopfstil aus dem 18. Jh. zu sehen, unter ihnen das Pósa-Haus, das der Zisterzienserorden von Zirc errichten ließ, und das seinen heutigen Namen von seinem ehemaligen Besitzer, vom Buchhändler und Drucker Endre Pósa bekam. Die weichen Linien der Fassaden der Häuser aus der Zeit des Jugendstils auf der rechten Seite des Platzes stehen im schreiender Gegensatz mit den markanten, strikten Bautraditionen der früheren Jahrhunderten. Der alte Marktplatz gewinnt langsam seinen Agora-Charakter zurück, auf den Terassen der Caféhäuser, auf den Bänken um das Milleniumsdenkmal, das von Mária Lugossy geplant ist, sitzen nachmittags immer mehr Veszprémer und Besucher, um sich hier zu unterhalten, sich umzuschauen oder eben über die Spiele der Männerhandballmannschaft des internationalen Ranges zu diskutieren. An der nordöstlichen Ecke des Platzes kommt das Rathaus als auffällender Block zum Vorschein, das 1896 für das Amt der Komitatsstiftung gebaut wurde. Das Gebäude im romantischen Stil in seinem renovierten Zustand gilt wirklich als Stolz der Stadt. Oben auf den Treppen der Ányos Straße mit romantischer Stimmung steht das Werk von Lenke R.-Kiss, das „Mädel mit dem Krug", das nach der örtlichen Überlieferung einfach als „Zsuzsi-Statue" (Susi-Statue) heißt.

Wenn die Veszprémer nach dem Symbol ihrer Stadt gefragt werden, geben sie ihre Abstimmung sicherlich für den am Tor der Burg stehenden Feuerturm ab. Der Feuerturm wurde originell als Schutzturm vor dem Burgtor aufgebaut, und ist schon auf den Zeichnungen über die Burgabmessung aus dem 16. Jh. zu bemerken. Der Turm überlebte die Türkenkriege, sowie die Verwüstung in Veszprém 1704 vom österreichischen General Heister, und er entging auch der Verordnung des Kaisers Leopold über die Zerstörung der Burg. Er wurde aber infolge des Erdbebens von 1810 so schwer verletzt, dass sich die örtliche Behörde mit dem Gedanken seines Abrisses beschäftigte. Der Veszprémer Adel griff aber ein, und rettete das schon viele Kriege gesehene Gebäude, danach wurde der Wasserbaumeister der Stadt namens Henrik Tumler mit der Anfertigung der Bauplänen beauftragt. Tumler plante neben der Rekonstruktion auch ein neues Spritzenhaus - Feuerwehrzeugkammer -, und dieses Gebäude, das 1817 fertiggebaut wurde, funktionierte zugleich als neues Rathaus (bis 1885). So wurde der Aufsichtsturm zu einem Feuerturm. Zu dieser Zeit wurde er das Wahrzeichen der Stadt, und die Einwohner kümmerten sich auch um das berühmte Gebäude, so wurde er 1891 wiederum renoviert. Der sowohl von innen als auch von aussen schönere gewordene Turm hatte die Rolle des Feuerschutzes ganz bis zu den 1950er Jahren hin. Heute ist er einer der schönsten Aussichtspunkte der Stadt, zugleich auch ein Uhrturm, der in jeder Stunde die Musik von dem Werber Antal Csermák spielt. Innerhalb von den Wänden der sich an ihn anknüpfenden Bastei ist das Pantheon der berühmten Bürger von Veszprém zu besichtigen. Ein nicht zu vernachlässigender Fakt ist, dass der Feuerturm der einzige mittelalterliche Festungsteil der Burg ist, der für die Besucher zur Verfügung steht.

An dem Dach des ehemaligen Rathauses kann man das Wappen von Veszprém, das einen Reiter mit ausgezogenem Schwert darstellenden Relief. An der Seite des später als Vereinshaus der Gewerbekorporation funktionierenden Spritzenhauses stehen die Statuen des St. Johann von Nepomuk und die des St. Florian.

In dem auf den Ruinen des Tores der mittelalterlichen Burg gebauten Haus im eklektischen Stil ist heute die Moderne Gemäldegalerie zu finden, - mit den Räumen der Sammlung von László Vass, in deren Wänden sogar die Treppen der jahrhundertealten Festung zu besichtigen sind.

Von dem Óváros Platz in die Burg spazierend kommt man zum 1936 gebauten Heldentor, das den Opfern des ersten Weltkrieges ein Denkmal setzt. Wenn man durch das Tor geht, findet man sich gleich in der Burg - der Burgstraße. Der Anblick spiegelt wohl die Charakteristik einer Straße, und wer in der Veszprémer Burg die Struktur einer mittelalterlichen Burg zu entdecken hofft, der muss sich wohl enttäuschen. Während der 150 Jahre langen Kriege zwischen den Türken und Ungarn lebte Veszprém sein Leben dauernd als eine Grenzfestung, und geriet mehrmals in andere Hände. Infolge der Konsolidation im 18. Jh. gewann die Stadt allmählich seinen Komitatssitz-Charakter zurück, und wurde als Bischofssitz wiederum ein wichtiges kirchliches Zentrum. (Im 17. Jh. wurden die Komitatssitzungen im allgemeinen in Pápa veranstaltet, und in dieser Zeitperiode wohnte auch der Bischof von Veszprém in Sümeg.) An den Gebäuden der Burg ist der kirchliche Charakter von Veszprém bemerkbar, man kann kaum bürgerliche Häuser finden. Die hauptsächlich im 18. Jh. gebauten riesigen Häuser verschlingen den inneren Platz der Burg - und machen aus ihn eine enge Straße -, nur vor dem Erzbischofspalast eröffnet sich der Platz der Heiligen Dreifaltigkeit vor uns. (Wobei die Burg ein monumentaler Gebäudekomplex ist, insgesamt 360 M lang, und die zwischen den Burgmauern gemessene längste Breite fast den 100 Meter erreicht, ist das aber wegen den Einbauungen nicht wahrnehmbar.)

Auf der anderen Seite des Burgtors trifft man auf einen winzig feinen Platz; wo an der mit  Efeuen bewachsenen Mauer der Trinkbrunnen von Béla Raffy zu finden ist, der mit Fotozelle funktioniert. Davor steht eine kleine Bank, wo man sich setzen kann, um sich hier die im Tourinform Büro (Vár Str. 4) erhaltenen Prospekte und Landkarten durchzuschauen. Von dem netten Etagengebäude des Büros weitergegangen sieht man das im spätbarocken Stil gebaute Haus von Doktor Havranek, welches heute als Kulturinstitut des Komitats funktioniert. Diesem gegenüber, im Torgang des Simoga-Hauses wurde die Csikász-Galerie eröffnet, deren Ausstellungen alljährlich zu besuchen sind. Gleich von hier kann man auf den Feuerturm steigen. In dessen inneren Hof, dem Basteigarten ist das schon erwähnte Veszprémer Pantheon zu besichtigen. Weitergegangen in der engen Burgstraße (Vár utca) auf der rechten Seite, an der Wand der Anwaltschaft sieht man zwei Schilder hängen: das eine stellt János Batsányi ein Denkmal, dem gehetzt lebenden ungarischen Dichter, der hier in Veszprém, im Piaristengymnasium gelehrt hat, das andere dem Lehrer Árpád Brusznyai, dem Märtyrer der Revolution und des Freiheitskampfes von 1956. Mit seiner Einfassungsmauer lehnt sich das von aussen leider sehr vernachlässigte Gebäude des ehemaligen Piaristengymnasiums aus dem 18. Jh. (heute Veszprémer Ökonomische Fachmittelschule) an das Haus der Anwaltschaft. Ihm gegenüber ist das Komitatsgericht mit dem Schmuck eines Löwenkopfes zu sehen.

Unseren Spaziergang fortgesetzt erblickt man rechts die Piaristenkirche und das Haus der bischöflichen Angestellten, dann kommt man auf dem Platz der Heiligen Dreifaltigkeit an. Neben dem Dubniczay- ursprünglich Domherrnhaus, das die gerade Linie der Straße abbricht, wurde in einem winzigen Park die Kopie des sogenannten Vetési-Steins, der aus der Zeit des Renaissancebischof von Veszprém, Albert Vetési stammt, aufgestellt, und in dessen geschnitzten Verzierung man auch das Wappen des Bischofs finden kann. Bis jetzt wurde von der mit Steinwürfeln aufgepflasterten Straße der Burg nichts erzählt, zum Platz der Heiligen Dreifaltigkeit angekommen aber muss sie unbedingt erwähnt werden, außer den schwarzen Basaltsteinen zeigen nämlich helle Steinwürfel die Mauern der ehemaligen Burg. Wie die meisten Burgen so auch die Veszprémer Burg bestand sowohl aus einer inneren als auch einer äußeren Burg. Die unter unsere Fußsohlen anschmiegenden weißen Steine zeigen die Stelle des dreitürmigen Burgtores der Burg (das sogar auf dem Wappen des Komitats Veszprém zu sehen ist), bzw. die Stelle der das Tor schützenden Barbakan-Bastei. Wenn wir auf den Platz treten, kommen wir im Herzen der Burg an. Links erhebt sich das schon erwähnte Dubniczay-Haus, das momentan unter Renovierung steht, weitergelaufen erblicken wir daneben das Bíró-Giczey-Domherrnhaus, das Haus und Kirche des Franziskanerordens. (Die Domherrnhäuser tragen den Namen ihres Baueigentümer, die als Mitglieder des kirchlichen Adels, ihre Häuser im Zentrum des bischöflichen Sitzes aufbauen ließen.)

Die beiden wichtigsten, selbst in Erscheinung monumentalen Gebäude des Platzes sind der Erzbischöfliche Palast und das St. Michael Münster. Das weiße Riesengebäude des erzbischöflichen Palasts stellt den ehemaligen Reichtum und die Macht der Kirche bzw. des Veszprémer Bischofs, des Bauherrn Ignác Koller dar. Der Bauplan des im Jahre 1776 fertig gewordenen Palasts ist eine Arbeit von Jakab Fellner. Die bogenrund gestümmelten Ecken des Gebäudes mit einer Grundrißform eines „E"-s, das Timpanon über dem Balkon - mit dem Wappen des Bischofs Koller drauf -, den Blumenketten (Feston) einem eine Vase haltenden Engel auf dem Gesims stehend, und die basteiartig rausspringenden Seitenflügel machen das Gebäude bewegungsvoll. Der Palast zeigt auch unter der Burg hervor ein prunkvolles Bild, als würde der sich auf den Burgmauern lehnende riesige hintere Balkon das ganze Gebäude selbst tragen. Hier im inneren Teil der Burg sind einige der Andenken des Árpádenhauses zu finden. Zwischen dem barocken Großpröpstenhaus und dem Erzbischöflichen Palast steckt die Gisela-Kapelle aus dem 13. Jh. Obwohl die Veszprémer Tradition den Namen der Kapelle an den Namen von Königin Gisela knüpft, hat sie aber mit der ersten ungarischen Königin nichts zu tun. Die originell zweistöckige Kapelle wurde in der Türkenzeit fast völlig zerstört, später wurde sie mehrmals renoviert, und z. Z. des Baus des neuen erzbischöflichen Palasts wurde sie fast ganz abgebaut. Auch mit ihrem heutigen unvollständigen Zustand geben uns ihre mittelalterlichen Gemälde, das Sanktuarium mit Gratgewölbe, bzw. ihre schöne Schlusssteine einen erhebenden Anblick.

Neben dem Haus der Großpröpste, hinter dem Münster an der Stelle des ehemaligen kleinen Burgtors führen steile Treppen in Richtung Benedek-Berg, gehen wir aber doch noch nicht fort! Schauen wir uns doch die Statue der Heiligen Dreifaltigkeit an, die 1750 Bischof Márton Padányi-Bíró anfertigen ließ!

Unter den Heiligen kommen St. Martin, Schutzheiliger des Bauherrn-Bischofs, St. Stefan, St. Emmerich, St. Georg und sowie Maria Magdalena zum Vorschein, und am Denkmal ist natürlich auch das Familienwappen des Bauherrn zu finden.
Vor dem Haus der Großpröpste kann man in den 40 Meter teifen Burgbrunnen hinunterschauen, der 2002 archäologisch erschlossen und zugleich renoviert wurde.

Das Münster von Veszprém stellt das Schicksal und die Geschichte unserer Stadt vollkommen dar. Das von St. Stefan 996 gegründete Münster des Veszprémer Bistums - das erste im Land - stand nach den Urkunden im Jahre 1001 schon hier, im nördlichen Teil der Burg. Die Kirche wurde von der ersten ungarischen Königin Gisela gegründet, und da deswegen sie der sog. Kirchenpatron wurde, half sie mit ihren Spenden später bei der Unterhaltung der Kirche. Danach wurde die jeweilige ungarische Königin der Kirchenparton des Veszprémer St. Michael-Münsters, und dank dessen überging das Krönungsrecht der ungarischen Königinnen auf den Veszprémer Bischof. Deswegen kann man die Stadt Veszprém die Stadt der Königinnen nennen. Die originell im romanischen Stil erbaute Kirche wurde im 13. Jh. von den Truppen des Aristokraten Péter Csák zerstört, später auch im 14. Jh. brannte sie nochmal ab. In den Türkenzeiten teilte Veszprém sein Schicksal mit der Kirche, sie wurde während der zahlreichen Angriffe fast völlig vernichtet, sogar dem Rákóczi-Freiheitskampf konnte sie nicht entgehen, und 1704 setzten sie die Soldaten des kaiserlichen Generals Heister in Brand. Die Neuaufbauung des Münsters mit stürmischer Geschichte lässt sich an den Namen vom Bischof Imre Esterházy anknüpfen. Die 1723 im Barockstil neuerbaute Kirche wurde fast aus seinen Ruinen aufgebaut, und so wurde sie wieder die wichtigste Kirche des Komitats. Ihren jetztigen neoromanen Charakter gewann sie während des vollständigen Umbaus von 1910. Die Reste der Kirche aus dem Mittelalter sind ausgebrochen an den südlichen und nördlichen Bordwänden zu sehen. Die romanisch-gothische Unterkirche mit drei Schiffen ist auch heute zu besuchen, die früher zugleich die ewige Ruhestätte vieler Bischöfe aus Veszprém wurde, und hier herkam auch die „Armknochen-Reliquie" unserer ersten Königin, die dem Bistum von der Stadt Passau  geschenkt wurde.

An der nördlichen Seite des Münsters ist das wahrscheinlich älteste Gebäude aus dem Mittelalter zu sehen, nämlich die St. Georg-Kapelle. Die genaue Bauzeit der Kapelle ist unbekannt, sie stammt aber wahrscheinlich aus den 10-11. Jahrhunderten, nach der Legende des St. Emmerich legte der Sohn unseres ersten Königs in der damals noch Rundkapelle sein Keuschheitsgeläubde ab. In dem im 13. Jh. zu einem Oktogon umgebauten Gebäude wurde lange Jahrhunderte hindurch die Reliquie von St. Georg aufbewahrt. Die vor der Kapelle stehende Statue stellt St. Emmerich dar, wie er auf dem die besiegte Unlauterkeit symbolisierenden Drachen steht, mit einem Schwert in der einen, und mit einer Lilie in der anderen Hand. Dem Münster gegenüber wurde die im 18. Jh. gebaute Franziskanerkirche und das Ordenhaus - heute das St. Franz Priesterheim - gebaut. Das Tejfalussy-Haus wurde 1772 gebaut, welches dem Museum von der Königin Gisela ein Zuhause gibt. Das Museum bewahrt Kunstschätze kirchlicher Herkunft, und es verfügt über eine reiche Steinsammlung. Das Gebäude der Veszprémer Kommission der Akademie, das einst Dravecz-Haus benannte Gebäude ist von außen nur eins von den zahlreichen Gebäuden aus dem 18. Jh., aber von innen ist es schön, es verfügt über einen kleinen Garten südlicher Stimmung,  wovon aus ein packender Ausblick auf den Jerusalem-Berg zum Vorschein kommt. Die Reihe von Häusern wird mit unserem ältesten Barockgebäude, dem Körmedy-Haus abgeschlossen. Von dem Zopfstil des gegenüber stehenden Großseminars ist nur das zierliche Fußgängertor geblieben.

Am Ende unseres langen Spazierganges kommen wir auf der nördlichen Zinne der Burg an, wo es sich wieder lohnt, uns umzuschauen. Neben den 1938 von József Ispánky angefertigten Statuen des St. Stefans und seiner Gemahlin Seligen Gisela ausblickend kann man die Häuser der Altstadt, und die winkeligen Straßen sehen, links kommt der Doppelbogen des Viadukts zum Vorschein, rechts aber die mal kahlen mal mit Efeu umrankten Felsen des Benedek-Berges, und ganz weit in der Ferne erblickt man die dunklen Gebirgszüge des Bakonys.

Veszprém ist die Stadt der Winde und der Glocken, nach der Überlieferung heißt es: wenn es nicht weht, dann lauten gerade die Glocken. An diesem Punkt der Stadt weht aber ständig, - mal haucht, mal pfeift - der aus dem Bakony herabströmende Wind. Wir stehen auf der Zinne einer jahrtausendealten, viele Stürme erlebten Burg, mit der romantischen Stimmung der Burg hinter uns, und mit der Altstadt aus dem 11. Jh. vor uns: die Gegenwart mit der Vergangenheit zusammengeknetet.